Girasole e.V.

Zweisprachigkeit

Bilinguale Erziehung als Schwerpunkt

Die Zweisprachigkeit ist die zentrale Grundlage unseres pädagogischen Konzepts: Der Girasole versteht sich als ein Ort, an dem der italienischen Sprache und Kultur Raum gegeben wird – wo die Kinder Italienisch nicht nur als Muttersprache, sondern auch als Spiel- und Kindersprache erfahren können und diese, nach dem immersiven Prinzip, auf kindgerechte Weise und durch sich immer wiederholende Abläufe (Routine) nicht erlernen, sondern erleben; d.h.,die Kinder sind täglich und in den verschiedenen Alltagssituationen von beiden Sprachen umgeben („Sprachbad“).

Das Erlernen der Partnersprache wirkt sich durchaus positiv auf die gesamte Entwicklung des Kindes aus. Mit dem Begriff „Partnersprache“ deuten wir mehr als eine „Zweitsprache“ oder „Fremdsprache“ an; die „Partnersprache“ trägt genauso viel zur persönlichen Identität und Entwicklung eines Menschen bei wie die Muttersprache. Darüber hinaus hat das Kind die Möglichkeit, durch den Zugang zu den verschiedenen Kulturen seinen Erfahrungsschatz zu erweitern; die „kognitive Flexibilität“ und die Abstraktionsfähigkeit werden somit verstärkt gefördert.

Bei der Erziehung zur Zweisprachigkeit sprechen die ErzieherInnen konsequent ihre jeweilige Muttersprache nach dem Prinzip: „Eine Person, eine Sprache“. Dank dieser Beständigkeit lernen die Kinder schrittweise, die beiden kulturellen und sprachlichen Codes ihres Umfeldes zu verstehen und anzuwenden. Wir empfehlen auch den Eltern unseres Kindergartens, diese sprachliche Trennung einzuhalten. Jedes Elternteil spricht dabei ausschließlich seine Muttersprache mit dem Kind. Wichtig ist, dass die Sprache nicht willkürlich gewechselt wird, sondern die funktionale Trennung auch konsequent eingehalten wird, selbst wenn ein Kind phasenweise nur noch in einer Sprache antwortet. Alle ErzieherInnen besitzen jedoch eine gewisse Kenntnis der Partnersprache, damit sie in eventuellen Gefahrsituationen oder bei besonderer emotionaler Not sich schnell verständlich machen können.

Wir fordern auch bei den Elternabenden die Eltern auf, sich, nach dem Prinzip des Kindergartens, in ihrer Muttersprache auszudrücken. Die Kinder dürfen die Sprache, die sie benutzen möchten, frei wählen; es sollte in dieser Hinsicht kein Druck ausgeübt werden! Die Kinder, die zu Hause Italienisch sprechen, werden auch im Kindergarten in verschiedenen Gesprächs- und Spielsituationen häufiger die italienische Sprache verwenden. Die ErzieherInnen bemühen sich, deutlich und langsam mit den Kindern zu sprechen. Dabei ist der Blickkontakt oft sehr wichtig; somit können die Kinder leichter die Bewegungen der Zunge und der Lippen nachahmen. Die Wortwahl und die Satzkonstruktionen sollten zwar altersgemäß einfach sein, allerdings wird auf die Verwendung von Babysprache („Wau-Wau“ statt Hund) und Verniedlichungsformen verzichtet, da diese nicht einem natürlichen Wortschatz angehören.

Alle Aktivitäten und Tagesabläufe dienen dazu, die kulturellen und verbalen Inhalte beider Sprachen (im Wechsel) positiv darzustellen und zu vermitteln: Sowohl deutsche als auch italienische Festlichkeiten werden z. B. thematisiert, gegebenenfalls in Projekte umgesetzt und somit wertgeschätzt: Dies ist nicht nur wichtig, damit die Kinder lernen, die erworbenen Sprachkenntnisse anzuwenden, sondern auch, um ihnen die Möglichkeit zu geben, die Inhalte ihrer Kultur zu verinnerlichen und somit zu begreifen, dass diese etwas Besonderes sind, wo für sie geachtet werden. Darüber hinaus werden die Kontakte zu anderen Einrichtungen mit italienischem bzw. deutschem Hintergrund (Theater/Kinobesuche, Lesepatin, Finow – Schule usw.) gefördert. Das Ziel besteht darin, den Motivationsfaktor, sich die Partnersprache anzueignen, zu steigern; das Kind kann so seine Sprachkenntnisse auch außerhalb des Kindergartens einsetzen. Silvana, die italienische Köchin, trägt mit ihren italienischen Kochspezialitäten zur positiven Sprach- und Kulturvermittlung bei.

Der Erwerb einer zweiten Sprache als „Besitz“ für das Kind stellt für uns nur einen Aspekt der bilingualen Erziehung dar. „Mit zwei oder mehreren Sprachen groß werden“ führt zu einem Prozess, der den Erfahrungsschatz und letzten Endes das sprachliche Gefühl des Kindes ständig erweitert und auf diese Weise sowohl die kognitive Flexibilität als auch die Abstraktionsfähigkeit kontinuierlich fördert. Dieter Zimmer schrieb dazu in der Wochenzeitschrift „Die Zeit“: „Mehrsprachigkeit ist kein verlässlicher Besitz, sondern ein ständiges Lernen und Verlernen.“